Ein Schnittmuster E-Book ist doch schnell gemacht! Das braucht doch nicht viel. Man kann mit einem Schnittmuster total leicht Geld verdienen.

Denkst du das auch?

Letztens las ich in einer Gruppe auf Facebook einen Post, der zum Thema hatte, ob Probenäher Geld bekommen. Der ganze Verlauf der Diskussion und die Meinung, die Ersteller verdienen sich eine goldene Nase, hat mich ins Grübeln gebracht. Nein, nicht über die Entlohnung von Probenähern, dazu will ich kein Fass aufmachen. Das ist jedem seine Entscheidung. Meine Gedanken schweiften zu einem anderen Thema:


Wie viel kostet eigentlich die Herstellung eines Schnittmuster E-Books?

Ich betreue jetzt schon lange unzählige Probenähen meiner Kunden mit und stehe in engem Kontakt mit meinen Kunden. Jeder arbeitet auf seine Weise und dennoch steckt jeder sein Herzblut in das jeweilige Projekt. Ich habe meine Kunden befragt und möchte mit euch mal die Erstellung eines Schnittmuster E-Books durchgehen. Modellhaft versteht sich.

Am Anfang ist die Idee. Die Idee ein Schnittmuster zu produzieren. Dazu muss man erst einmal eine Inspiration haben, wie jeder Designer. Und nun fängt schon der erste Punkt in unserer Kalkulation an: das braucht Zeit. Sei es, dass man etwas gesehen hat und daraus etwas entwickelt in unzähligen Zeichnungen oder die gezielte Recherche was Trend ist und wie man den Markt bedienen kann. Es geht erst mal Arbeitszeit dabei drauf.

Ja, aber das kostet doch nichts! Das ist doch nur meine Zeit.

Falsch gedacht!

Jede Minute die du, wenn du in einem Angestelltenverhältnis oder ähnlich bist, möchtest du bezahlt bekommen, oder? Jeder möchte für seine Arbeit gewertschätzt werden. Es gibt Designer, die machen Schnittmuster nebenberuflich, aber auch welche. die es in Vollzeit betreiben. Aber ganz egal, es ist Arbeitszeit und die muss entlohnt werden. Da man als Selbständiger ganz viele Dinge selber tragen muss, z.B. die Kosten, die der Arbeitgeber sonst anteilig an Krankenkasse, Rentenversicherung usw. mitträgt, ist so ein Bruttostundenlohn als Selbständiger auch ein anderer. Und den muss eben jeder individuell kalkulieren. Wir nehmen hier einfach mal einen fiktiven Stundenlohn von 30€. Er ist fiktiv! Einfach ausgedacht, aber wir brauchen ja was zum Rechnen. Und sicher müsste er höher angesetzt werden.

Also: nehmen wir mal an, unsere Designerin ist ziemlich flott mit Recherche und Ideenfindung und wir setzen zwei Stunden an (und ich denke das ist niedrig gerechnet), dann noch einmal eine Stunde für die Entwurfszeichnung und/oder das aufschreiben der Modellkriterien, also was wo hin soll und welche Passform gewünscht ist. Das macht also so schon drei Stunden.

Wir gehen davon aus, unsere Designerin arbeitet mit einer Direktrice zusammen. Neben der Kommunikation mit der Direktrice, stellt diese ihre Arbeit natürlich in Rechnung. Und da gibt es ebenfalls unterschiedliche Kalkulationsmodelle. Wir sagen mal, die Designerin möchte ein schlichtes T-Shirt mit kurzem Arm und Rundhals, also nichts kompliziertes.

Die Kosten für die Direktrice setzen wir mal 100€ netto an für den ersten Entwurf.

Nun zum nächsten Punkt. So ein Schnitt will getestet werden. Das kostet neben Zeit, wer hätte es gedacht, auch Material. Nehmen wir mal an, die Designerin näht das Shirt zwei Mal, bevor es ins Probenähen geht. An Arbeitszeit sagen wir mal zusammen eine Stunde und Material je Shirt 15€ (wir nehmen mal nicht ganz so guten Stoff)

Haben wir nun vier Stunden und 130€ auf dem Konto.

Nun soll es natürlich auch eine Anleitung geben. Es gibt die Variante mit Zeichnungen und die Variante mit Fotos. Wir nehmen mal Fotos. Die Anleitung muss also geknipst und geschrieben werden. Bis alles so steht, wie es sein soll, kann dabei mehr als ein halber Arbeitstag drauf gehen und deshalb setze ich das mit fünf Stunden an.

Unser Kontostand: neun Stunden und 130€

Bis hier ist es bei meinen Designern noch relativ ähnlich, aber nun arbeiten viele unterschiedlich. Die einen haben ein Stammteam, die anderen suchen ein frisches Team und wiederum andere machen gar kein Probenähen, sondern testen Basisgröße und eine Referenzgröße zur Gradierung selbst. Gehen wir mal vom Probenähen aus, was am meisten der Fall ist.

Nun kommt wieder Zeit ins Spiel: Probenähaufruf verfassen, Bewerbungen sichten, Kandidaten auswählen, ggf. Kooperation mit Stoffpartner aushandeln, Gruppe erstellen und Schnitt hochladen. Puh, da geht einiges an Zeit drauf und ich setze mal drei Stunden an.Es ist nun aber so, dass man eben diese Probenähen begleitet. Man sichtet Fotos, beantwortet Fragen, gibt Tipps und pflegt die Gruppe. Und das oft nebenher. Immer wenn das Handy klingelt, beantwortet man oft zwischendurch. Wir setzen hier mal locker 20Stunden an. Im Probenähen wurden vom Shirt zwei weitere Versionen genäht. Je nach Direktrice kommen nun noch Kosten dazu und wir zahlen der Direktrice mal noch 50€

Wir zählen schon 32 Stunden und 170€

Nun ist der Schnitt final. Manche bearbeiten noch das Design des Schnittmusterbogens, setzen den letzten Schliff an die Anleitung. Sichten die Fotos für ein Lookbook. Bearbeiten, setzen das Layout. Es werden Posts vorbereitet und das ganze muss noch auf den eigenen Server oder eine Verkaufsplattform hochgeladen werden. Wir verbuchen noch mal 10 Stunden.

Summa summarum: 42 Stunden und 170€.

Der Schnitt ist raus, die Werbung läuft. Man beantwortet Fragen, nebenher läuft der Support. Hier eine Instastory, da ein Newsletter und dort noch Facebook. Da kommen auch noch mal 10 Stunden zusammen.

Das macht 52 Stunden und170€.

Jetzt haben wir allerdings noch andere Faktoren vergessen: Strom, Verschleiß der Maschinen, Telefonkosten, Mietkosten für den Arbeitsplatz, Betriebliche Versicherungen, Gebühren bei der Kammer, Gebühren bei der Verkaufsplattform, Kontoführung, Steuer und und und. Das nennt man betriebliche Gemeinkosten. Kosten die entstehen, sich aber nicht explizit auf ein Projekt übertragen lassen. Das ganze Drumherum. In der Regel wird so ein Posten über einen Prozentsatz einkalkuliert, ebenso prozentual sollte man noch Wagnis und Gewinn einrechnen. Denn so ein Betrieb muss Rücklagen bilden. Hat man schon Mitarbeiter, müssen diese auch in nicht so guten Zeiten bezahlt werden, die Einkommensteuer wird fällig oder es kommen noch andere unvorhergesehene Zahlungen. Ganz zu schweigen davon, dass die Designerin natürlich im Krankheitsfall trotzdem Geld zum Leben braucht, ein Posten, den im Angestelltenverhältnis der Arbeitgeber übernimmt.

Das ist hier wirklich nur eine ganz grobe Rechnung, man kann das viel genauer aufdröseln und das sollte man auch (übrigens ebenfalls Arbeitszeit!). Aber ich möchte dir einfach mal ein Bewusstsein dafür geben, was es heißt, ein Schnittmuster herauszubringen.

Rechnen wir mal:

52 Stunden (das entspricht übrigens 6,5 Arbeitstagen mit je 8 Stunden) à 30Euro = 1560€

Kosten für die Direktrice: 170€

Zusammen sind das 1730€

Rechnen wir nun noch einen Gemeinkostenzuschlag von 60%, das macht: 2768€

Für Wagnis und Gewinn rechnen wir 10% =3044,80€

Lassen wir die Zahl mal sacken. Was geht dir durch den Kopf? Ich als Unternehmerin, rechne natürlich gleich nach, wie viele Produkte verkauft werden müssen. So ein durchschnittliches E-Book kostet, sagen wir mal 5€

3044,80€ geteilt durch 5€ = ca. 609 Stück

Kannst du dir vorstellen, wie das dann ist, wenn sich das Schnittmuster nicht so gut verkauft? Denn das weiß man vorher ja nicht.

Das bringt mich wieder zu den Gedanken zurück, dass man mal eben ein Schnittmuster erstellen und verkaufen kann. Und nein, man sollte so eine Selbständigkeit nie als Hobby sehen. Natürlich soll man etwas machen, was einem Spaß macht, aber man darf nicht vergessen richtig zu kalkulieren. Man darf nicht vergessen sich selbst zu bezahlen.

Und du als Käufer? Frage dich, wie du in deinem Job bezahlt werden möchtest. Was ist es dir wert, ein ausgetüfteltes Schnittmuster zu kaufen, eine großartige Anleitung zu haben. Wie viel ist dir dein Hobby wert?

Sind Freebooks nicht großzügige Geschenke? Überlege dir das mal.

Nur auch mal zum Vergleich, bei der 2€ Aktion einer bekannten Plattform bleiben dem Designer an jedem E-Book 0,74Cent! Wie viele E-Books müssen da über den Tisch gehen, bis der Designer überhaupt die Herstellungskosten raus hat, geschweige denn Gewinn daran macht?

Und nun bist du dran.

Was denkst du? Teile deine Gedanken mit mir. Bist du selbst Ersteller? Magst Du noch etwas ergänzen? Schreibt mir einfach.